Liebe Kollegen,
schon lange versehe ich nun mein Amt als oberster Hirte unserer grossen Gemeinschaft. Nun möchte ich endlich einmal aufschreiben, wie es eigentlich zu all dem kam.
Wir schrieben das Jahr 12 und es war ein schöner Frühlingsmorgen, als ich mich - damals noch jung und knackig - mal wieder auf den Weg zur Post begab um einen Brief an meinen Großvater abzuschicken. Meine Eltern und ich wohnten damals noch etwas ausserhalb von Miobaas und da ich noch nicht viel herumgekommen war, war für mich jeder Ausflug in die Stadt ein grosses Abenteuer.
Ich machte mich also gut gelaunt auf den Weg, als mir bewusst wurde, dass ich schon lange keine Post mehr von Großvater bekommen hatte. Großvater wohnte zu dieser Zeit in Usagoor. Er hatte sich diesen Ort sozusagen als seinen „Altersruhesitz“ ausgesucht. Nur leider gab und gibt es in diesem abgelegenen Örtchen keine Post. Nun gut, ich möchte auch nicht unbedingt der Postbote sein, der jeden Tag den steilen Gebirspfad mit Sack und Pack erklimmen müsste. Aber ich schweife ab.
Auf meinem gesamten Hin- und Rückweg von und zur Post in Miobaas dachte ich nun darüber nach, wie ich es meinem Großvater vereinfachen könnte Briefe zu bekommen und Briefe zu verschicken. Schliesslich würde er wohl bald auch nicht mehr den beschwerlichen Weg aus Usagoor hinaus schaffen um sich seine Post in einer anderen Stadt am Postamt abholen zu können. Plötzlich kam mir ein Einfall, der wohl ebenso einfach wie genial war: Die Tauben meiner Eltern, die sie schon seit Jahren züchten, müssten doch eigentlich in der Lage sein einen Brief auf leichtem Papier über weite Strecken tragen zu können. Ausserdem sind sie schon an den klang des Hornes gewöhnt, welches meine Eltern immer nutzten um sie zum Füttern zu rufen.
Nun ja. Kaum war ich also zuhause, bastelte ich mir ein kleines Etui in dem ich dünne Blätter Briefpapier sammelte. Ausserdem legte ich noch eine weisse Feder bei, so dass ich diese aus meinem Tintenfass füllen und direkt losschreiben konnte. Ich fertigte ein zweites Set dieser Utensilien an und brachte sie im Sommer zusammen mit einem Horn zum Rufen der Tauben zu meinem Großvater hinauf in die Berge. Wie er sich damals gefreut hatte, wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Und so waren mein Großvater Hugo Hochbrieferle und ich die ersten beiden Mitglieder der Botenzunft.
Drei Jahre später, also im Jahre 15, und nach vielen Briefen mit meinem Großvater, beschloss ich, mein Leben komplett der Post zu widmen und allen Völkern auf Avalon die Möglichkeit zu geben, die Tauben zum Versand ihrer Briefe zu nutzen. So können seit diesem Tage alle Bewohner Avalons, die Mitglied in unserer Gemeinschaft werden, von jedem Ort, den die Tauben erreichen können, sich Briefe schicken und zukommen lassen. Und solange mein Leben noch dauern mag, werde ich für jeden, der den Wunsch hegt, Mitglied in der Botenzunft zu werden, ein offenes Ohr an meinem Arbeitsplatz in der Hauptpost in Miobaas haben.
Im Jahre 80 Horst Hochbrieferle, der Postillion